Was bedeutet es ganz allgemein, auf einem spirituellen Weg zu sein? An sich selbst zu arbeiten? Ein sinnvolles Leben zu führen? So klischeehaft es auch klingen mag, laut Stuart Horn ist das Untersuchen des eigenen Lebens das Herzstück.
„Es war eine Zeit des Aufbruchs – die Dinge hatten sich verändert”. In den 1960er Jahren wollten die Menschen alternative Ansichten über Kultur und die Realität erkunden und waren offen für neue Ideen und für’s Experimentieren. Es war auch der Beginn von Stuart Horns eigener spiritueller Reise. Die 60er und 70er Jahre führten ihn in asiatisches Denken und Meditation ein.
Wie Zehntausende von Studenten, die sich damals an den Universitäten des Landes einschrieben, ging auch Stuart Horn auf das College, um Wirtschaft und Rechnungswesen zu studieren. Doch wie andere oft bemerkten, galt seine wahre Leidenschaft der Konversation und dem Studium von Philosophie, Geschichte und Politik, was ihn in den frühen 70er Jahren dazu veranlasste, Studium und Promotion in Geschichte mit dem Schwerpunkt Ideengeschichte zu durchlaufen. Stuart wurde Mitglied der Fakultät und ist heute Distinguished Professor für Geisteswissenschaften an der Nova Southeastern University in Fort Lauderdale (USA).
Seine spirituelle Reise war lange Zeit breit gefächert, bis er auf Khenpo Tsültrim Gyamtso Rinpoche und Dzogchen Pönlop Rinpoche traf. Sie wurden im Jahr 2002 seine Lehrer. Ihr systematischer Ansatz war für ihn am besten nachvollziehbar. Als Mitglied der Nalandabodhi Sangha begann er den von DPR vorgezeichneten Studien- und Praxisweg und begann im selben Jahr sein Studium der buddhistischen philosophischen Systeme am Nitartha Institut. Neben der Erfüllung verschiedener administrativer Aufgaben innerhalb von Nalandabodhi und des Nitartha Instituts wurde Stuart im Jahr 2010 von DPR als Fakultätsmitglied des Nitartha Instituts autorisiert.
Stuart ist kürzlich (2021) verstorben. Die letzten Jahre seines Lebens lebte er in Edmonds (Washington State) mit seiner Frau Sandra Roscoe und ihrem Australian Shepherd Tessa. „Das Leben war sehr gut zu mir”, sagte mir Stuart zu Beginn unseres Gesprächs – ein Gefühl, das implizit und präsent in all den Gedanken, Ideen und Gefühlen war, die er freundlicherweise mit mir teilte. Obwohl er körperlich schon nicht mehr jung war, war zum Zeitpunkt unseres Gesprächs seine Liebe zu Gesprächen über das Leben offensichtlich noch sehr präsent und stark spürbar.
Wir nahmen uns vor, noch viele Gespräche miteinander zu führen. Es kam anders. Dennoch bin ich sehr dankbar, dass wir diese Unterhaltung führen konnten. Du wirst feststellen, dass Stuart hier so wiedergegeben ist, als würde er sprechen. Und durch diese Unterhaltung tut er es in gewisser Weise immer noch. Als ich Sandra fragte, ob es in Ordnung sei, diese Worte noch zu veröffentlichen, sagte sie: „Je mehr Stuart in der Welt ist, desto besser.” Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen.
Warum (und wann) hast du den Sprung auf einen buddhistischen Weg gewagt?
„Darüber habe ich wirklich viel nachgedacht. Das ist keine leichte Frage. Der Eintritt in den Buddhismus war der Höhepunkt einer langen Phase spiritueller Suche und Praktiken. Die begann 1966/1967. In den sechziger Jahren gab es eine Menge spiritueller Bewegungen – von den Sufis über die transzendentale Meditation bis hin zu psychedelischen Elementen. Und in der intellektuellen Gemeinschaft gab es viele Gespräche. Die Leute lasen allen möglichen interessanten Stoff – von Huxley bis Alan Watts.
Das brachte mich zunächst dazu, die vorherrschende Sichtweise der hinduistischen Tradition zu studieren, einschließlich der Vedanta (ein bestimmtes philosophisches System) und der Bhagavad Gita (ein Teil eines berühmten Sanskrit-Gedichts aus den Hindu-Schriften). Danach merkte ich, wie fasziniert ich von dem war, was ich von buddhistischen Lehren lernte. Es war nicht so sehr ein Sprung, sondern ein Rutschen – etwas, das bedeutete, wichtige Teile meines Lebens loszulassen: Dinge, die ich für wichtig hielt, wie ich mein Leben strukturierte. Wenn ich das tun wollte, was Gary Snyder „die wahre Arbeit” nannte, nämlich an sich selbst zu arbeiten, musste ich einen Lehrer und einen Weg finden, die in mir widerklangen. Der Buddhismus war das für mich, insbesondere die Begegnung mit Khenpo Tsültrim Gyamtso Rinpoche und Dzogchen Pönlop Rinpoche.“
Was genau galt es da loszulassen?
„Die größte Aufgabe bestand darin, die Annahmen darüber loszulassen, wie ein sinnvolles Leben aussehen würde. Man geht auf eine Graduiertenschule, sucht sich Stellen an Universitäten und denkt, dass das Leben von dem Erfolg geprägt sein wird, den man im Rahmen der akademischen Welt hat. Man veröffentlicht, wird mit Titeln ausgezeichnet, erhält Stipendien, Auszeichnungen und so weiter. Das erschien mir nicht bedeutungsvoll genug, um dem mein Leben zu widmen.
Ich erkannte, dass mein spirituelles Leben der Rahmen sein musste, in dem sich alle Entscheidungen, die ich über mein Leben traf, abspielen mussten. Die Fragen, die ich mir immer stellen musste, lauteten nicht: Wie wird dies meine Karriere vorantreiben, wie kann ich mehr Geld verdienen, wie kann ich in meinen Beziehungen erfolgreich sein? Sondern: Wie wird dies meiner spirituellen Praxis und meiner Arbeit an mir selbst nützen?
Das war das Beste, was ich für mich und andere tun konnte. Wird mich diese Entscheidung zu einem Bezugssystem führen, in dem ich mein Verständnis davon entwickeln kann, wer ich bin und worum es in der Realität geht? Das war eine wichtige Veränderung. Sie veränderte wirklich die Dynamik, mit der ich Entscheidungen traf, und was die Grundlage dieser Entscheidungen war. Den Universitäts-Campus zu verlassen und für zwölf Jahre nach North Carolina zu ziehen, beruhte zum Beispiel auf dieser Art von Entscheidung.“
Was bedeutet es, an sich selbst zu arbeiten?
„Du kommst in deiner spirituellen Entwicklung an einen Punkt, an dem du erkennst, dass das wesentliche Problem, mit dem du und andere als fühlende Wesen konfrontiert sind, die Natur deines Geistes ist, einschließlich der gewohnheitsmäßigen Muster und Verwirrungen, die als Ergebnis mangelnder Übung deines Geistes in die Welt projiziert werden. Die Arbeit ist wirklich Geistestraining – sorgfältig zu untersuchen, was in deinem Leben vor sich geht, über dein Verhalten nachzudenken und den widerspenstigen Teil deiner selbst zu zähmen und dich von den mechanischen Reaktionen zu befreien, von denen aus wir normalerweise funktionieren.“
Warum haben gerade die buddhistischen Lehren für dich Sinn ergeben?
„Vielleicht ist es Nalandabodhi und die Struktur von Dzogchen Pönlop Rinpoche, seiner Sangha und dem Nitartha Institut. Buddhismus als Praxis und als Lehre wurde in einer sehr systematischen und gut organisierten Weise präsentiert. Es wurde sowohl ein Studienweg als auch ein Praxisweg angeboten, was mir sehr fortschrittlich erschien. Man stürzte sich nicht in Dinge, die zu hoch für einen waren. Man blieb nicht in Unkenntnis, worum es bei der ganzen Sache ging. Man verstand sie im Kontext eines Pfades und progressiver Stufen.
Für mich machten die buddhistischen Lehren über den Geist und die Natur der Wirklichkeit am meisten Sinn. Es war die Sichtweise, in der ich mich gut wiederfinden konnte, und sie schien die Verwirrung, die wir in uns selbst und in der Welt sehen, am tiefgründigsten zu erklären und einen Weg aufzuzeigen, wie wir uns von dieser Verwirrung befreien können.“
Ist der Buddhismus also sowohl philosophisch als auch praktikabel?
„Ja. Es gibt da einen Praxisweg, der im Zusammenhang mit einer philosophischen Sichtweise dargestellt wird. Pfad und Sichtweise sind eng miteinander verbunden. Dann gibt es das Verhalten und die Frucht, die Manifestation der eigenen Erfahrung von beidem. Ich hatte das Glück, großen Lehrern wie Khenpo Rinpoche und Pönlop Rinpoche zu begegnen, die eine kohärente, durchdachte und authentische Sichtweise mit einer unverfälschten Sprache vermittelten.“

Du hast mehrmals die Rolle der Lehrer erwähnt. Worin liegt der Wert oder die Wichtigkeit eines Lehrers auf einem spirituellen Weg?
„Unabhängig davon, welchen Weg man einschlägt, ob spirituell oder weltlich, stellt man fest, dass man, wenn man auf diesem Pfad Fortschritte machen will, jemanden finden muss, der schon eine Weile auf diesem Pfad war – und bewiesen hat, dass er diesen Weg verstanden hat und bis zu einem gewissen Grad beherrscht. Wenn du Musiker werden und ernsthaft lernen willst, Gitarre zu spielen – und das dein Weg sein soll – brauchst du wirklich einen Lehrer. Man braucht entweder einen Lehrer dergestalt, dass man sich ständig Aufnahmen anhört und anhand der Noten nachvollzieht, oder man hat das Glück, bei diesem Lehrer zu studieren. Ich hatte das Glück, eine unglaubliche Lehrerin zu finden, die mir geholfen hat, die Hochschule auf eine Art und Weise zu absolvieren, die für mich sinnvoll war.
Genauso ist es auch auf dem spirituellen Weg. Man braucht jemanden, dem man in dem vertraut, was er als Methode auf diesem Pfad lehrt, und der einer authentischen Linie von Praktizierenden angehört, in der die Lehren auf eine Art und Weise dargelegt werden, die in der Kultur, in der du lebst, für dich Sinn macht.“
Du stellst einen spirituellen und einen weltlichen Pfad einander gegenüber. Was bedeutet es, sich auf einem spirituellen Pfad zu befinden?
Bis jetzt war Stuart umsichtig, aber relativ schnell in seinen Antworten. Jetzt braucht er etwas mehr Zeit zum Nachdenken und merkt an, dass dies eine gute Frage ist: „Ich denke, ein spiritueller Pfad erkennt an, dass die uns vertraute Realität nur eine Art Schatten dessen ist, was letztendlich real ist. Er bietet eine viel breitere Palette von Möglichkeiten an – in vielen Fällen jenseits unserer Vorstellungskraft davon, was und wer wir als Wesen sind. Er öffnet sozusagen die Tür zu Möglichkeiten, über die man nur schwer sprechen kann.
Weißt du, diejenigen von uns, die mit dem intensiveren und tieferen Studium des Vajrayana (der tantrischen Lehren der tibetisch-buddhistischen oder Mahayana-Tradition, auch Geheimes Mantra oder das Ergebnis-Fahrzeug genannt) begonnen haben, verstehen, dass die Realität, die uns als die wirkliche Realität präsentiert wurde, wirklich – wirklich, weißt du – eine Illusion oder ein Schatten ist. Es gibt etwas viel Größeres als das, was uns zugänglich ist. Aber man braucht die Werkzeuge, die Methoden, die Prozesse und den philosophischen Kontext, um Zugang dazu zu erhalten. Diese Welt wird allgemein als die spirituelle Welt bezeichnet.“
Du sagtest vorhin, dass der Buddhismus dich persönlich angesprochen hat, während es auch vieles andere gab. Können andere Traditionen, ob wir sie nun philosophisch oder religiös nennen, ebenfalls auf diese Realität hinweisen?
„Sie könnten auf diese Realität hinweisen. Ich denke, es gibt eine große Kluft zwischen dem Buddhismus und anderen religiösen oder philosophischen „Systemen”. Andere Systeme hängen größtenteils von einem äußeren Wesen oder einer Kraft ab, die ihren Weg formt und mit ihm interagiert. Im Buddhismus ist das nicht unbedingt der Fall. In diesem Sinne ist er keine Religion, in der man die Unterstützung von etwas Äußerem sucht. Davon abgesehen weiß ich nicht genug über die christliche Mystik, den Chassidismus und die jüdische Mystik oder die Sufis im Islam. Es ist möglich, dass sie zu einer Verwirklichung in dem Sinne kommen, wie man im Buddhismus Verwirklichung versteht.“
Sobald ich in die akademische Welt eintrat, wurde ich sozusagen nach ‚westlicher philosophischer Tradition’ aufgezogen. Mit deiner Erfahrung des Buddhismus und dessen, was viele Menschen „östliche Philosophie” nennen, wie siehst du das, was oft als „westliche” Philosophie bezeichnet wird?
„Von ‚westlicher Philosophie’ als einer monolithischen Institution zu sprechen, ist ein Fehler. Die Universitäten verhalten sich wirklich unterschiedlich. Einige erlauben es, östliche Philosophie zu lehren, andere nicht. Einige betrachten nur die ‚westliche Riege“ von Philosophen als echte Philosophen. Es gibt eine wirklich traurige Voreingenommenheit, die der Entwicklung der Philosophie abträglich ist. Auch nur zum Vergleich wäre es hilfreich.
Einige Leute stellen entweder diesen Vergleich an oder studieren tatsächlich östliche Philosophie. Es werden wunderbare Bücher und Ansichten in den Austausch eingebracht. Ob sie in den Mainstream der westlichen Philosophie eingehen werden? Ich bezweifle es. Aber vielleicht wird die Philosophie irgendwann alle philosophischen Systeme umfassen, einschließlich die der amerikanischen Ureinwohner.
Darüber hinaus haben viele Philosophen, die als Teil der westlichen philosophischen Tradition angesehen werden, auch die Bedeutung der Praxis (das Verkörpern oder Leben einer Idee in der Wirklichkeit) gelehrt. In der Philosophie gibt es derzeit eine Bewegung, die dieses Praxis-Element wieder aufgreift. In den Diskussionen der antiken Philosophen war dies enthalten. Die Beziehung zwischen dem eigenen Charakter und dem eigenen Verständnis wurde sehr klar artikuliert. Jetzt gerade scheinen wir das verloren zu haben. Es ist eine interessante Frage, was die Beziehung zwischen Wissen und Charakter ist – zwischen Wissen und der Qualität des eigenen Geistestrainings.“

Die Frage, die du vorhin formuliert hast, „was ein sinnvolles Leben ausmacht”, stand einst auch im Mittelpunkt der Philosophie. Was ist daraus geworden?
Stuart lacht. „Es gab auch einmal eine Zeit, in der die Philosophen zu den Menschen sprachen. Die Menschen lasen Philosophie, weil sie sehr praktisch und verständlich war. Heute sagt man, dass Philosophen für Philosophen schreiben. Nicht viele Menschen in der westlichen Welt interessieren sich dafür, was Philosophen zu sagen haben. Es ist schwer, den Themen zeitgenössischer Philosophie zu folgen und sie zu verstehen. Das liegt zum Teil an der Spaltung zwischen Psychologie, Philosophie und Religion, die im Westen stattgefunden hat. Im Osten geschah das nicht. Dort ist die Philosophie sehr gut in den religiösen Weg eingebettet. Daher gehörte zu ihr ein sehr soteriologisches Element (die praktischen Mittel zur Erlösung oder Befreiung). Sie ist sehr pragmatisch.
Es gibt jetzt Philosophen, die dies zu verstehen beginnen und versuchen, Fragen zur Ethik, zum Verhalten, zur Natur der Wirklichkeit, zur Sprache und so weiter für Laien zugänglich zu machen.“ Auf die Bemerkung hin, dass es hier eine Aufgabe für Stuart zu geben scheint, fängt er wieder an zu lachen.
Wenden wir uns der Frage selbst zu: Was macht ein sinnvolles Leben aus?
„Nun, ich denke, diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Ich glaube nicht, dass es einen transzendentalen Maßstab gibt, dem man gerecht werden muss. Ich denke, ein sinnvolles Leben ist, um ein Klischee zu verwenden, ein gut untersuchtes Leben. Man untersucht sich selbst. Man ist generell interessiert und neugierig auf die Natur des eigenen Geistes und versucht zu verstehen, warum man sich so verhält, wie man sich verhält. Du versuchst, Wege zu finden, dieses Verhalten zu verbessern, um für dich selbst und andere Menschen von Nutzen zu sein. Die großartigen Lehren über Bodhicitta (die Absicht, Befreiung vom Leiden zu erlangen, um allen Wesen zu nützen) sind so wunderbar tiefgründig und bedeutungsvoll. Wenn man an einen Punkt kommt, an dem man sich selbst versteht und von Nutzen für andere ist, dann ist genau dort die Antwort auf die Frage nach einem sinnvollen Leben zu finden.“
Der Nutzen für andere scheint eine wichtige Rolle in deinem Verständnis von einem sinnvollen Leben zu spielen. Warum ist das so?
‘Intellectually you can give an answer to that. If you really study ethics, you discover the „Intellektuell kann man darauf eine Antwort geben. Wenn man sich wirklich mit Ethik beschäftigt, stellt man fest, dass man sich selbst umso mehr nützt, je mehr man anderen nützt. Je glücklicher andere sind, desto glücklicher wirst du sein – einfach von einem ganz pragmatischen Blickwinkel aus. Wenn du mit jemandem zusammenlebst und diese Person unglücklich machst, lebst du in einer armseligen Situation. Wenn du deinen Lebensgefährten glücklich machst, ist auch dein Leben glücklich. Das ist ein sehr praktischer Rat und eine praktische Anleitung.
Auf der anderen Seite kommt in der eigenen Entwicklung ein Punkt, an dem man nicht anders kann, als zu sehen, wie andere leiden und wie unnötig das ist. Es ist das Ergebnis ihrer eigenen Verwirrung und Fehlwahrnehmung davon, wer sie sind und was ihnen Glück bringt. Dieses Leiden zu sehen, ist schmerzhaft, einfach nur wie man es jetzt sieht. Das Verhalten der Menschen ist manchmal so grausam und verletzend, und doch spürt man, dass sie selbst so unglücklich, leidend und verwirrt sind, dass man nichts anderes als Mitgefühl für diese Art von Menschen empfinden kann. Ganz natürlich möchte man ihnen Lehren oder Strategien anbieten, von denen man – weil man sie bei sich selbst angewandt hat – weiß, dass sie einen großen Teil ihres Schmerzes und ihres Unglücks lindern werden. Wenn du eine Anleitung anbieten kannst, die von Nutzen ist, dann tust du das. So wie dieser Moment hier, unser Gespräch: Möge es für andere von Nutzen sein.“
Als wir dieses Interview führten, war gerade eine weltweite Pandemie eines neuartigen Coronavirus (Covid-19) im Gange. Stuart wies darauf hin, dass man leicht sehen könne, wie die Menschen ganz natürlich den Wunsch verspürten, auf andere zuzugehen und ihnen zu helfen. Dies ist einfach der Ausdruck der Realität, der spirituellen Welt. Um sich damit zu verbinden, müssen wir jedoch achtsam sein und einen gut geübten Geist haben. „Weißt du, Dzigar Kongtrul Rinpoche (ein tibetisch-buddhistischer Lehrer, geboren 1964) sagte einmal etwas Wunderbares, als ich ihn nach seiner Praxis fragte. Er sagte: Ich stehe morgens auf, schaue hinaus und sage: Was immer ich sehe, ist mein Geist, und es ist das erste und einzige Mal, dass ich das jemals sehen werde. Die Praxis ist dann, wie ich auf das, was mir erscheint, mit Mitgefühl reagiere. Und ich dachte: Ja, Mann, das ist die Praxis!“
DIE ECHTE FRAGE
„Ich wünschte, es gäbe nur eine. Ich glaube, die Frage, die mich am meisten fasziniert, ist weniger eine Frage als vielmehr eine Erkundung, und ich finde es sehr hilfreich zu verstehen, was es bedeutet, das „Jetzt” zu erleben. Wie ist dieses Erleben des gegenwärtigen Moments? Was ist dieser gegenwärtige Moment, wann und wo – wenn es weder Vergangenheit noch Zukunft noch einen Ort gibt?“
WENN DU ERWÄGST, EINEN SPRUNG ZU WAGEN…
„Sich auf etwas einzulassen, bei dem man sich nicht sicher ist, und sich ins Unbekannte zu begeben, was auch immer das für einen ist, das ist beängstigend. Das ist es, worum es beim Sterben geht. Ich würde also empfehlen, sich Zeit zu lassen. Dies ist kein Wettlauf, bei dem es darum geht, am Ende einer Zeit, die dir davonläuft, etwas abzuschließen. Hör zu, studiere und finde Freunde auf derselben Art von Weg. Wenn es dir ernst ist, dann hab das aufrichtige Bestreben, einen authentischen Lehrer zu finden. Mit einem aufrichtigen Bestreben wird dieser Lehrer erscheinen. Denk nach, stell Fragen, sei neugierig. Du beginnst, das Leben zu untersuchen. Dies ist ein wunderbarer Moment in deinem Leben. Genieße ihn.“